SaaS boomt, der Lock-In-Effekt auch: Die Gedanken eines CEO im Tech-telmechtel [Interview] Posted on 04.08.202106.12.2024 | by Franzi Kunz Christian Malik, Gründer und Geschäftsführer dotSource 90 Prozent der deutschen Unternehmen nutzen Clouddienste 2015 waren es noch 21 Prozent 2024 wird Cloud voraussichtlich 14 Prozent der globalen IT-Ausgaben für Unternehmen ausmachen 2020 waren es 9 Prozent Diese Zahlen sprechen für sich: Cloud-Computing ist das neue Normal. Doch auch die Zahlen, mit denen CEOs im Rahmen von Software as a Service (SaaS) konfrontiert werden, sprechen eine klare Sprache: Cloud-Computing geht ins Geld. Schwierige Kiste, will man doch für sein Unternehmen die zukunftssichere Lösung. Für seine Mitarbeiter die besten Voraussetzungen, um agil und effektiv zusammenzuarbeiten. Über dieses Dilemma habe ich mit Christian Malik, Gründer und Geschäftsführer der dotSource im Tech-telmechtel gesprochen. Macht euch keine Hoffnung: Einen Weg drumherum haben wir auch nicht, aber ein paar Ansätze und Impulse, wie ihr trotz hoher Kosten wirtschaftlich handelt. SaaS und der Lock-In-effekt: Christian Malik im Interview Christian teilt nicht nur den Vornamen mit seinem Freund und Partner Christian Otto Grötsch, sondern auch die Gründung und Leitung der dotSource. Bereits seit dotSource-Start vor 15 Jahren ist Christian der Mann vor Ort, berät und begleitet Kunden auf ihrem Weg der digitalen Transformation. Er baute nicht nur das Sales-Team der dotSource auf, sondern beteiligt sich auch an allen Kundenterminen, kennt die Anforderungen, Wünsche und Painpoints in diversen Branchen. Und da sind wir schon mitten im Thema. Denn Painpoints, das sind vor allem die Kosten. Oder Christian? Definitiv. Der Wechsel von On-Premise zu SaaS sorgt dafür, dass sich Betriebskosten mitunter um das Fünffache erhöhen. Hat man die Summe an sich realisiert, fragt man sich natürlich: Geht das nicht anders? Und wie lautet die Antwort? Nein, es geht nicht anders. Und das ist genau der Punkt. Denn: Es gibt keine wirklichen Alternativen. Wie fühlt sich das an? Ganz klar, man fühlt sich ausgeliefert. Du suchst und machst, stellst aber immer mehr fest: Herzlich Willkommen in der Wahrheit. So ist es eben. Und diese Wahrheit heißt: SaaS ist Pflicht und hat nun mal seinen Preis? Ja, so ist es. Es gibt die Marktführer und die bieten dir nun mal die besten Systeme und Tools. Insbesondere wenn du wächst und immer mehr Synergien innerhalb der vielen Teams entstehen, braucht es ganz klar das richtige Tech-Set-up. Hast du ein Beispiel? Nun, Office ist wohl das naheliegendste. Ein Großteil der Unternehmen benutzt die Lösung von Microsoft und macht es damit quasi zum Standard. Es gibt aktuell eben keine vergleichbare Software, die dir so viele Möglichkeiten bietet. Das haben wir in den letzten beiden Jahren natürlich noch einmal mehr gespürt. Wenn du das eine willst, musst du das andere hinnehmen. Und mit dem anderen meinst du die Kosten? Ja, auch. Aber ich meine vor allem auch den emotionalen Aspekt. Wie ich schon sagte: Man fühlt sich abhängig, quasi ausgeliefert. Und das ist kein gutes Gefühl. Wie gehst du damit um? Ich mache meine Gedanken transparent. Tausche mich aus. So wie heute hier im Interview oder eben in den GF- und Lead-Meetings. Die Termine bei unseren Kunden spiegeln mir außerdem: Japp, du bist nicht allein. Anderen geht es auch so. SaaS: Hohe Kosten = maximaler Nutzen? Ok, Alternativen gibt es aktuell nicht. Wie ich dich kenne, reicht dir das aber nicht, oder? Reicht mir nicht. Korrekt. Und zu welcher Lösung bist du gekommen? Als Lösung würde ich es nicht bezeichnen. Eher als »Wenn schon, denn schon-Ansatz«. Wenn du schon so viel Geld in die Hand nehmen musst, dann ist es umso entscheidender, zu schauen, wie du den maximalen Nutzen aus der Software rausholst. Klingt plausibel. Und wie sieht das in der Praxis aus? Ich erkläre es mal mit dem, wie es nicht aussehen sollte. Es darf nicht so sein, dass Tools rumliegen bzw. Mitarbeiter gar nicht wissen, was sie mit dem System alles machen können. Sonst hast du einen Haufen guter Werkzeuge, die nur rumliegen. Und Geld kosten. SaaS zwischen Systemexperten und System-Usern Wenn man will, dass Werkzeuge auch benutzt werden, muss man den Leuten natürlich auch zeigen, wie sie funktionieren, oder? Ja, klar. Das versteht sich von selbst. Wobei man hier auch schauen sollte: Wer braucht wirklich eine Lizenz? Wer muss wirklich mit dem System arbeiten, um besser zu performen? Zum anderen müssen diejenigen, die sich beispielsweise als Consultants oder Developer mit dem System auskennen – was ja am Ende nicht immer diejenigen sind, die es operativ nutzen – bei Konfigurationen und Migrationen nah am Feedback ihrer Kollegen entwickeln. Denn sie sind es, die am Ende damit gut und gerne arbeiten sollen. Wenn ein System von vornherein so eingestellt ist, wie es ein Tech-Experte für richtig hält, ohne dass er mit den eigentlichen Usern spricht und sie in die Konfiguration mit einbezieht, dann passiert genau das, was ich bereits sagte, das nicht passieren sollte: Tools liegen rum. Austausch und Feedback zwischen Systemexperten und System-Usern nehme ich hier mit. Hast du noch einen Tipp? Ja. Ich habe es selbst erst wieder erlebt. Man wird ja auch irgendwann betriebsblind. Umso wichtiger ist es, dass du jemanden an Bord hast, der sich die Prozesse wirklich nochmal von vorn bis hinten anschaut. Und das regelmäßig und mit direktem Feedback. Sonst wird das nichts mit dem maximalen Nutzen. SaaS mit den richtigen Verträgen Siehst du noch andere Ankerpunkte, bei denen man ansetzen kann, um besser mit dem Lock-In-Effekt umzugehen? Ja, dafür müssen wir allerdings wieder einen Schritt zurückgehen. Thema: Vertragsverhandlungen. Verhandle deine Verträge gut, vor allem den Erstvertrag. Ok, wie sieht gut verhandeln denn z.B. aus? Schau, wie du Kostensteigerungen mit rein verhandelst. Zum Beispiel, dass Preise nicht mehr als fünf Prozent steigen dürfen. Versuche festzulegen, dass Preise bestimmter Produkte automatisch mit drin sind, gerade wenn es um Verlängerungen geht. Das ist am Ende ja auch ein klassisches Migrationsthema: Was muss ich alles umziehen, was kostet mich das? Oder? Ja, aber auf einmal muss ich für Dinge Geld bezahlen, die früher gratis waren und umgekehrt – Dinge, die ich früher bezahlen musste, sind jetzt out of the box dabei. SaaS Lösung auswählen: Bei Evaluation, Umsysteme mit evaluieren Man muss schon ganz genau wissen, was man tut. Auf jeden Fall. Du musst dich noch stärker mit deiner Software-Roadmap auseinandersetzen, um den größten Nutzen aus der gefühlt überteuerten Lösung rauszuziehen. Du musst bei der Softwareauswahl eben schauen: Was habe ich noch alles für andere Systeme bei mir im Haus, die ich damit z.B. auch ablösen kann. Das gilt erst Recht, wenn wir noch einen Schritt weiterdenken. Stichwort Plattform? Genau. Wenn ich wirklich das Beste aus meinem System herausholen will, sollte ich mich auch damit auseinandersetzen, wie das gesamte Portfolio der Systemanbieter aussieht, welche Lösungen ich davon bereits im Einsatz habe und welche ich ersetzen, respektive noch integrieren sollte. Denn wirkliche Effizienz erziele ich nun mal über eine integrierten Plattform mit den Lösungen aus einem Haus. Gerade wenn es eine gewachsene Systemlandschaft ist, wird das sicher immer schwerer zu bewerten, oder? Das ist wohl eine der größten Herausforderungen, ja. Systeme wachsen seit Jahren ja nicht nur zahlenmäßig, sondern auch in ihrer Heterogenität. SaaS und der Release-Marathon: Stick to the Standard! Ganz zu schweigen von immer neuen Releases und Updates … Oh ja. Früher war es so: Die Software kann das und das – Ja, ok. Brauchen wir aber nicht. Machen wir nicht. Doch jetzt kaufst du es dazu, es wird dazu berechnet und es bringt dich in Zugzwang – heißt, du nutzt es auch. Klingt ja eher nach einem Vorteil? Schon, wenn man darauf schaut, dass man eben bei ganz vielen Cloudlösungen drei Mal im Jahr mit neuen Releases rechnen kann, die einem den neusten heißen Scheiss mit dazu geben. Das bringt dich aber wieder zur nächsten Herausforderung: Verbieg dein System auch in der Cloud nicht so dermaßen, dass zukünftige Releases nicht passen. Heißt also, man sollte sich auch mit den Release Zyklen und Inhalten intensiv beschäftigen? Du hast die Pflicht, dir die release Notes intensiv durchzulesen und dich zu kümmern, wie du das umsetzen kannst. Dich zu fragen, was kommt da rum? Was kannst du mit dem neuen Sachen machen. Da musste man früher gar nicht genau hinschauen – lief ja alles. Und jetzt ist es so, dass dir ein Release zeigt: Dein System wird dann so und so funktionieren und du kannst dich dagegen nicht wehren. SaaS: Look Forward statt Lock-In OK, lass uns mal zusammenfassen, was man für den Wenn schon, denn schon Ansatz braucht, ok? Du brauchst • eine langfristige Strategie, eine Plattformstrategie und eine Partnerstrategie • Verhandlungsgeschick und gute Preise • Business-Units und IT, die Kompetenzen verknüpfen • Den regelmäßigen Prozess-Check durch Systemexperten und Systemnutzer • Systemexperten, die nah am Feedback der Systemnutzer entwickeln • Transparenz und Kommunikation, um User Acceptance hochzuhalten • Den Überblick über deine Systeme • Die Evaluation der Umsysteme • Das Know-how über Software Release-Notes Das reduziert die Kosten initial nicht. Aber es gibt dir den Ausblick auf langfristige Mehrwerte. Wenn deine Prozesse automatisiert laufen, Aufwände reduziert werden und die Motivation bei den Mitarbeitern steigt, bist du auch bereit, entsprechend darin zu investieren. Ich danke dir, Christian für diese ehrlichen Worte und das tolle Gespräch. Danke auch dir. Bis bald. 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