Future Retail Trends 2021: Best Practices und Tipps für erfolgreichen Handel [Lesetipps]

Future Retail Trends
Quelle: Unsplash / Jezael Melgoza

Viele neue Ideen und Konzepte bereicherten die Shops im letzten Jahr – trotz oder vielleicht sogar wegen Corona. Sie zeigen, wie wichtig Geschäfte in den Städten weiterhin sein werden, aber auch, dass sich ihre Rolle verändern. Bewährte Retail-Tugenden wie Umweltverträglichkeit, guter Service oder unkomplizierte Einkaufsvorgänge werden aufgegriffen und weiterentwickelt. Vieles wird neu gedacht. Hier kommen die wichtigsten Impulse des Jahres 2020, die in diesem Jahr weiter Fahrt aufnehmen werden.

Future Retail Trend 2021: Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Doch Lippenbekenntnisse reichen heute nicht mehr. Zeit also, dass Taten folgen. Häufig schmücken sich Händler mit grünen Lorbeeren, betreiben im Alltagsgeschäft aber weitgehend ihr daily business. Auch entstehen immer wieder Situationen, in denen die Aktivitäten von Firmen mit gesellschaftlichen oder ökologischen Interessen kollidieren.

Echte, transformative Sustainability wird gebraucht. Nicht nur, weil die ökologischen und sozialen Problemfelder täglich bedrohlicher werden. Außerdem steigt der Handlungsdruck auf Organisationen heutzutage ganz direkt und von mehreren Seiten zugleich: Regulatoren, Kunden und Investoren verlangen eine transparente Nachhaltigkeit. Darauf dann noch nicht mal einzugehen, stellt ein geschäftliches Risiko dar.

Dass die Themen Sustainability und Conscious Consumption gerade im Fashion-Business so relevant sind wie nie zuvor, zeigen nicht zuletzt der wachsende Erfolg von Plattformen für Produkte aus nachhaltiger Produktion wie Avocadostore oder der Zusammenschluss des Fashionriesen H&M mit Schwedens größtem Secondhand-Onlineshop Sellpy.

Nachhaltigkeit transparent zu machen ist für die Unternehmen mindestens genauso relevant wie Nachhaltigkeit umzusetzen. Kaum ein Unternehmen, das keine »grüne Landingpage« – also eine Rubrik zum Thema Nachhaltigkeit – hat. icebreaker, eine niederländische Marke für nachhaltige Outdoorbekleidung, integriert das Thema gleich komplett in die Onlineshop-Rubrik »Unsere Geschichte«. Dort können Nutzer neben der Vision und Mission des Unternehmens auch die komplette Wertschöpfungskette verfolgen – vom Schafzüchter bis in die Fabriken.  Wer ein Teil kauft, findet auf dem Etikett quasi einen direkten Link zu dem Schaf, das dafür seine Wolle gab – und das bereits seit Jahren.

Öko ist IN und Fairtrade ein Verkaufsschlager. Nachhaltigkeit ist lange schon aus der früheren Nische in den Mainstream gewandert. Der breite Markt benötigt und verlangt sie – nicht nur die oft zitierten Millennials, sondern auch andere Bevölkerungsgruppen interessieren sich für nachhaltige, gesunde und umweltverträgliche Produkte. Unzählige Start-ups engagierter junger Entrepreneure haben sich genau dieses Themas angenommen, von veganer Nahrung bis zu Recycling. Wer diesen Trend am Markt verschläft, sieht neben der nachhaltigen Konkurrenz schnell ziemlich alt aus. Erst recht in 2021.

Future Retail Trend 2021: Connected Retail

PCs, Laptops, Smartphones, Tablets, Wearebles – die Möglichkeiten um einzukaufen, sich beraten zu lassen oder einfach nur um zu stöbern, sind grenzenlos. Besondere Produktdarstellungen und -beschreibungen, Chatbots sowie Live-Chats ersetzen mehr und mehr die Verkäufer im stationären Handel. Zunehmend kostenlose und immer schnellere Lieferungen sparen Zeit und schonen Nerven. Außerdem unterstützt Big Data dabei, den E-Commerce zu personalisieren und Waren schneller zu finden oder gar den korrekten Vorschlag für etwas zu bekommen, von dem man gar nicht wusste, dass man es sucht. 1:0 für den Onlineshop, könnte man meinen.

Seit einiger Zeit ist aber auch ein Gegentrend zu beobachten: Der Einkauf im stationären Shop hat für den Kunden wieder eine gewisse Wertigkeit erlangt. Das gilt aber logischerweise nur, wenn er sich davon auch einen Vorteil verspricht. Für Konsumenten geht es längst nicht mehr um ein Entweder-Oder. Sie wollen beides –Online Shopping UND Einkaufen im stationären Handel – und das am besten auf intelligente Weise miteinander verknüpft. Das bringt den stationären Handel wieder zurück auf die Karte.

Dabei ist die berühmte »Seamless Customer Journey«, also das nahtlose Einkaufen, aber noch längst nicht erreicht, wenn im Store Verkäufer mit Tablets ausgestattet sind beziehungsweise digitale Beratungsterminals aufgestellt werden, um die Verlängerung in den Online Shop zu gewährleisten. Möglichkeiten wie Beacon-Installationen im Shop, Mobile-Tracking oder Voice Services wie Amazons Alexa ermöglichen es die Kunden dort abzuholen, wo sie zuletzt ihre Reise begonnen, pausiert oder beendet hat – nämlich online.

Connected Retail ist also mehr als Click-and-collect. Die Zahl digitalisierter Stores nimmt zu. Videowalls, Touchscreens, interaktive Spiegel und intelligente Umkleidekabinen wie bei Mango oder Macy’s sind erst der Anfang. Wie die Zukunft des digitalisierten stationären Geschäfts aussehen könnte, zeigt sich in Paris: Sowohl adidas als auch Nike bieten Besuchern dort durchdigitalisierte Erlebniswelten.

Aber auch ein einfacher Check-Out trägt zur optimalen Connected-Retail-Erfahrung bei. Kassenlose Geschäfte wie Amazon Go sind in den USA und Großbritannien bereits Usus, in Deutschland dagegen bislang auf Pop-up-Stores beschränkt. Selbstbedienungskassen wie bei IKEA oder Self-Scanner und -Checkouts, wie sie Netto und HORNBACH anbieten, sind Schritte in die richtige Richtung und reduzieren eines der Hauptmankos beim stationären Einkauf: lange Wartezeiten in der Schlange. Diese gilt es auch in 2021 und darüber hinaus zu vermeiden.

Future Retail Trend 2021: Quick Commerce

500 Tage Wartezeit für eine Tee-Lieferung — das war im späten Mittelalter um 1400 noch normal. Karawanen brachten die Produkte damals auf dem Landweg über die Seidenstraße aus dem fernen Osten. Ob es wirklich ankam, war ungewiss: Auf den Routen durch die Wüste und das Hochgebirge begaben sich die Händler oft in Lebensgefahr. Der technische Fortschritt und die Erschließung von See- und Luftwegen haben den Handel in den darauffolgenden Jahrhunderten jedoch stark beschleunigt.

Die Durchschnittszeit für Lieferungen von Online-Bestellungen liegt derzeit bei drei bis fünf Werktagen. Und das findet ein Großteil der Konsumenten auch in Ordnung. E-Commerce hat sich als zusätzliche Versorgungsinfrastruktur insbesondere für Güter des täglichen Bedarfs etabliert. Nachhaltig, denn laut einer Befragung des bevh will jeder Zweite aufgrund dieser Erfahrungen auch in Zukunft mehr Lebensmittel, Drogerieprodukte oder Medikamente online bestellen.

Die Krise hat sowohl die Notwendigkeit als auch die Vorteile von Quick Commerce offenbart. Plattformen wie Delivery Hero profitieren enorm davon und verzeichneten im zweiten Quartal 2020 einen Auftragsanstieg von 98 Prozent. Die Berliner Plattform will bald schon schnelle Lieferungen in einer Viertelstunde zum neuen Standard machen. Delivery Hero rollt seinen Instant-Bringdienst derzeit in 35 Ländern aus. Neben dem Kerngeschäft — der Lieferung von Restaurant-Essen — sollen die Kuriere künftig auch Supermarkteinkäufe, Blumen und Medikamente binnen Minuten bringen.

Bei Investoren wirbt der Konzern seit April 2020 unter dem Titel »Q-Commerce« für das Geschäftsfeld. Das ist eine Wortschöpfung aus Quick und E-Commerce, was so viel wie »schneller Onlinehandel« bedeutet. Das Kalkül dahinter: Wer schnell liefert, hat glückliche Kunden. Das stärkt wiederum die Kundenbindung, erhöht die Häufigkeit der Bestellungen und soll sich am Ende in wachsenden Umsätzen widerspiegeln.

Delivery Hero ist jedoch nicht das einzige Unternehmen, das auf ultraschnelle Lieferungen wettet — und auch nicht das erste. Branchenprimus Amazon hat die am höchsten ausgeschriebene Geschwindigkeit bereits vor über zehn Jahren als Ziel ausgerufen, als in den USA das Mitgliedsprogramm Amazon Prime startete. Kürzlich hat Amazon auch seine Ambitionen für Instant-Lieferungen bekräftigt. Seit Oktober 2020 betreibt das Unternehmen in den USA den Dienst »Ultra Fast Fresh«, der Lebensmittel in Kooperation mit der zugekauften Supermarktkette Whole Foods in wenigen Stunden liefern soll.

Auch in Deutschland, wo sich Delivery Hero 2018 aus dem Markt zurückzog und Amazons Ultra Fast Fresh noch nicht gestartet ist, bringen sich Firstmover Start-ups mit superschnellen Lieferungen in Stellung. Eines davon ist das Berliner Unternehmen Gorillas. Das Start-up verspricht eine Lieferzeit von weniger als zehn Minuten für Supermarkt-Artikel.

Inwiefern sich Quick-Commerce am Ende für das eigene Unternehmen lohnt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich zu bewerten. Eins steht aber fest: Schnelle Lieferung – glückliche Kunden. Auch in 2021.

Future Retail Trend 2021: Gamification

In den letzten Jahren wurden viele Yoga Studios, Kletterwände oder Fußballtore in Sportgeschäfte installiert. Händler werden so zum regelmäßigen Treffpunkt für die Community und animieren jeden Besucher zum Sport. Auch Nike hat das in seinen Stores versucht, aber nicht mit dem gewünschten Erfolg. Denn: Nicht alle Menschen sind Super-Sportler, sie haben Hemmungen aktiv zu werden. Wer sie aktivieren will, muss Hemmschwellen abbauen. Das funktioniert bestenfalls mit spielerischen, digitalen Konzepten besonders gut.

Im neuen Nike Retail-Konzept »House of Innovation«, dessen erster europäischer Ableger im Juli 2020 in Paris eröffnete, wurden interaktive Spiele und Teststationen entwickelt. In Shanghai, wo das allererste House of Innovation eröffnete, wurde eine über mehrere Stockwerke laufende digitale Wandinstallation mit digitalem Fußboden realisiert, auf deren Screens eigens entwickelte Bewegungsspiele ablaufen. Sie sollen Menschen dazu animieren, spontan mitzumachen – vom Großvater bis zum Enkel. In den Stores unterstützen eigens entwickelte Bewegungsspiele beispielsweise Produkteinführungen, die spezielle Produkteigenschaften erklären helfen oder das Produktdesign widerspiegeln: Technische Innovationen werden eher mit Performance-getriebenen Spielen über digitale Flächen begleitet, bei Spiel-Konzepten für Freizeitschuhe überwiegt der Fun-Charakter.

Gamification-Elemente nutzt auch Puma im Skill Cube im New Yorker Store, wo Kunden in einem komplett mit multisensorischen Bildschirmen ausgestatteten Kubus Trainingstipps von Pumas Markenbotschaftern erhalten. Spannend ist auch der Ansatz der chinesischen Streetwear Marke Hipanda, die in ihrem Tokioer Flagship Store eine interaktive Geisterwelt – mal analog, mal digital mit Augmented Reality – installiert hat.

Den Spieltrieb im Menschen reaktivieren und damit den Verkauf ankurbeln? Kein ultraneues Konzept. Aber definitiv ein fortwährender Trend dank digitaler Unterstützungsmechanismen.

Future Retail Trend 2021: Service & Kundennähe

173 Online-Marktplätze gibt es aktuell im DACH-Raum. Im Jahr 2014 waren es noch 81. Die neue Marktplatzwelt ist dichter und vielschichtiger geworden. Es gibt im Vergleich zu 2015 einen bemerkenswert hohen Anteil an Unternehmen mit einer Doppelrolle. Breuninger, Real oder Douglas gehören zu den knapp 30 Prozent dieser Plattformen, die wie Amazon Marktplatz und Onlineshop zugleich sind und darüber hinaus weiter Filialen betreiben. Das sorgt nicht nur für Wettbewerb in den eigenen Reihen, sondern maximiert auch den Druck, sich im Konglomerat der Superlative zu behaupten. Die größte Auswahl, der beste Preis, die schnellste Logistik – all das ist wichtig, aber Service ist unverzichtbar.

Wie eine Studie von ecom consulting und gominga zeigt, findet Kundeninteraktion bei Marktplätzen jedoch meist nicht statt – fatal im Zeitalter der Aufmerksamkeitsökonomie. Anders bei OBI und hagebau, die mit @createbyobi oder dem Podcast »Nachgefragt bei hagebaumarkt« DIY-Tutorials und Beratung als spezielle Servicekonzepte in ihre Marktplatzstrategie integrieren. Erlebnis-Geschenke-Anbieter mydays entwickelt mit seinem digitalen Kompetenzzentrum ein neues Geschäftsmodell und berät Anbieter bei der Digitalisierung von Events. In puncto Service durch Interaktion und Kundennähe kann jeder von Konzepten wie diesen lernen. Sie bleiben im Gedächtnis und schaffen Vertrauen.

Für mehr Kundennähe sollten Händler außerdem:

Die Produktsuche erleichtern

Inspiriert Kunden, indem man nicht nur einzelne Produkte zeigt, sondern auf den Produktseiten auch Alternativen aufzeigt – vielleicht die raffinierteren, auf jeden Fall die bei anderen Kunden beliebten, eventuell die günstigeren.

Intensiv mit Kunden kommunizieren

Mittels Facebook oder Whatsapp Messenger können Fragen beantwortet, aber auch direkt auf Sonderangebote und Aktionswochen aufmerksam gemacht werden. Außerdem kann hier die Transparenz bezüglich des Bestellvorgangs einfacher gestaltet werden.

Vertrauen schaffen

Verbraucher vertrauen auf die Urteile anderer. Bewertungen bieten außerdem viele Möglichkeiten zur Werbung für eigenen Service und Produkte. Kundenbewertungen können mittelfristig die gängigen Gütesiegel wie Trusted Shop und TÜV ersetzen helfen, weil sie mehr Vertrauen bilden.

Datenschutz hervorheben

Das Geburtsdatum ist nicht immer notwendig, bei Rechnungskauf auch die Kontodaten nicht. Und wer in seinen Formularen auf nicht immer nützliche Angaben zu Anrede, Land, Bundesland verzichtet, vereinfacht Bestellungen. Deutlich freundlicher wirkt es, wenn Kunden nicht am Anfang des Bestellprozesses gebeten werden, ein Kundenkonto anzulegen, sondern wenn sie am Ende alle eingegebenen Daten speichern können – um künftig Bestellungen zu vereinfachen oder den Status von Bestellungen zu verfolgen.

 

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