Warum verkaufen Mercedes, Audi und VW jetzt online Gebrauchtwagen? – Spoiler: Amazon!

Grafik:Senorhorst Jahnsen
Grafik:Senorhorst Jahnsen

Online einen Gebrauchtwagen kaufen? Klar, dafür gibt es ja Plattformen wie mobile.de, Auto1.com oder autoscout24.de. Doch gibt man bei Google „Online Gebrauchtwagen“ ein, ist einer der ersten (bezahlten) Treffer, der zur „Audi Gebrauchtwagenbörse“. Ähnliche Erlebnisse hat man, wenn man nach gebrauchten Autos von Volkswagen oder Mercedes schaut. Mit Hey.car und „Mercedes-Benz Junge Sterne“ scheinen auch diese beiden Hersteller online Gebrauchtwagen zu verkaufen.
 
Innovativ? Mitnichten. Ähnlich wie beim Thema E-Auto oder Ökologie allgemein, lassen sich deutsche Autohersteller auch in Sachen Digitalisierung rechts überholen. Ist das so? Oder haben Audi, Mercedes und Volkswagen den Schuss gehört und gehen mit ihren jeweiligen Plattformen komplett neue Wege? Und was hat das alles schon wieder mit Amazon zu tun?

 

Spielt hier die Musik?

84,62 Milliarden Euro – so groß war der Gebrauchtwagenmarkt 2016 in Deutschland. Viele kaufen dabei sicherlich beim Händler ihres Vertrauens. Eine Umfrage zeigt aber auch, dass sich im Jahr 2017 33,3 Prozent – genau ein Drittel – der potenziellen Gebrauchtwagenkäufer vorstellen könnte, das Auto ihrer Träume auch online zu kaufen. Eine Milchmädchenrechnung mit diesen Zahlen allein zeigt schon, dass der Verkauf von Gebrauchtwagen über den Onlinekanal durchaus vorteilhaft sein kann.

Hinter der Frage „Könnte das für uns wirtschaftlich von Vorteil sein?“ können die genannten Marken ja schon einmal einen Haken setzen. Nun gut. Aber warum jetzt? Warum steigen gestandene, in den letzten Monaten eher durch Negativschlagzeilen auffällig gewordene Autohersteller gerade jetzt in den Onlinehandel mit Gebrauchtwagen ein? Ist das wilder Aktionismus? Oder ist es das Ergebnis stundenlanger Design-Thinking-Workshops von denen die Vorgesetzten etwas hippes, cooles…. eben digitales erwarteten?

Portale mit Kinderkrankheiten

Zwar scheint es gerade en vogue zu sein, sich über deutsche Autohersteller und deren fehlende Innovationskraft lustig zu machen, aber nicht mit uns! Eigentlich sollte sich dieser Artikel mit Usability-Aspekten der einzelnen Portale von Audi, Volkswagen und Mercedes auseinandersetzen. Doch da findet man keine groben Schnitzer.

Junge Sterne - Hier werden Gebrauchtwagen mit dem "Junge Sterne-Gütesiegel" verkauft
Junge Sterne – Hier werden Gebrauchtwagen mit dem „Junge Sterne-Gütesiegel“ verkauft

Natürlich könnte man das etwas „langweilige“ Design der Mercedes-Seite kritisieren oder die teilweise unübersichtlichen Konfigurations-/Filtermöglichkeiten der jeweiligen Plattformen ankreiden.

Hey.car - Neben VW werden hier auch andere Automarken angeboten
Hey.car – Neben VW werden hier auch andere Automarken angeboten

Da es sich hier aber um Kinderkrankheiten handelt, sollte man Nachsicht walten lassen. Im Gegenteil bietet beispielsweise Hey.car von Volkswagen sogar Vorteile gegenüber den gestandenen Plattformen, die schon seit fast 20 Jahren online Gebrauchtwagen verkaufen. So ist Hey.car komplett werbefrei und setzt auf ein simples und verständliches Design.

…aber warum?

Wenn drei große Autohersteller innerhalb kürzester Zeit eine neue Möglichkeit des Gebrauchtwagenkaufs anbieten, dann muss das einen Grund haben. Wilder Aktionismus ist als Begründung sicherlich zu kurz gegriffen. Wahrscheinlicher machen sich die Autohersteller mehr über die Zukunft ihres Geschäftes Sorgen, dass vor allem durch einen wirklichen „Big Player“ bedroht wird: Amazon.

Amazon Vehicles - Auch Luxusautos gibt es bei Amazon
Amazon Vehicles – Auch Luxusautos gibt es bei Amazon

Ja, auch im Autohandel hat Amazon seit längerer Zeit die Finger im Spiel. Vor über einem Jahr startete der Onlineriese den Service „Amazon Vehicles„. Handelskraft stellte damals schon die Frage, ob das eine Strategie mit Zukunft ist? Ein Jahr hatten also Autohersteller sowie Autohändler Zeit zu reagieren… und die jetzt eröffneten Plattformen scheinen die Antwort von Mercedes, VW und Audi zu sein.

Warten auf den Sturm

Wer sich jetzt fragt, wer denn um Gottes Willen ein Auto auf Amazon kauft, der hat sich sicherlich auch gefragt, wer Bücher, Klamotten, Nahrungsmittel und so weiter online kaufen soll. Die Frage ist nicht, ob Amazon Vehicles funktioniert, sondern wann das geschieht und wie hart das den Automobilmarkt umkrempeln wird. Nur als Gedankenspiel: Amazon eröffnet weltweit Showrooms, in denen man sich aktuelle Automodelle anschauen kann und Beratung erhält. Konfiguration des Neuwagens oder die gezielte Suche nach Gebrauchtwagen erfolgt dann zuhause… genauso wie der restliche Kaufprozess. Autohändler? Braucht man nicht mehr.

Anders als Google, Tesla oder Apple steigt Amazon nicht in die Produktion, sondern in die Distribution von Fahrzeugen ein. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja dann irgendwann noch zusätzlich das „Amazon Car“. Mit eigenen Büchern werden ja schon erste Gehversuche gemacht. Damit es aber gar nicht erst soweit kommt, ist dieser scheinbar wilde Aktionismus der Daimler AG (Mercedes) und Volkswagen AG (VW, Audi) gar nicht so willkürlich wie es wirkt. Durch die Einbindung der Autohändler errichtet man sich eine digitale Bastion in der man dann auf den Angriff durch Amazon wartet.

Ob man hier mit Einzellösungen je Autohersteller den richtigen Weg beschreitet oder ob man da nicht eher gemeinschaftlich herangehen sollte, – Warum gibt es keine gemeinschaftliche Plattform von Audi und VW? – wird sich wohl erst in den nächsten Wochen, Monaten, Jahren zeigen. Fest steht, dass die Autohersteller ihre Innovationskraft nicht nur alleinig auf das Produkt selbst legen dürfen, sondern die Distribution vor allem über den Onlinekanal eine immer wichtigere Rolle einnimmt, will man nicht die nächste Branche sein, die von Amazon ins Visier genommen und schlussendlich komplett umgekrempelt wird.

Alles eine Frage der Strategie!

Ob die Strategie, die nun die Autohersteller verfolgen, von Erfolg gekrönt sein wird oder nicht, ist fraglich. Aber immerhin macht man sich Gedanken. Und das ist in Zeiten der vierten industriellen Revolution durchaus von Vorteil. Damit man dabei nicht allein auf weiter Flur steht, unterstützt unser dotSource Strategieteam bei der Konzeption neuer oder veränderter Geschäftsmodelle, die auch beim Ansturm Amazons auf die Bastion standhalten!

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